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Pressemitteilung vom 21.07.2006

Utopie, Erinnerung, Normalität
28 deutsch-ungarische Kulturprojekte bei Bipolar

Bipolar, ein Initiativprojekt der Kulturstiftung des Bundes, vergibt 1,6 Mio. Euro für Kooperationsprojekte zwischen deutschen und ungarischen Partnern. Nach einer Ausschreibung waren 144 Bewerbungen eingegangen, aus denen eine deutsch-ungarische Fachjury 28 Vorhaben der zeitgenössischen Kunst und Kultur für eine Förderung auswählte. Die Ergebnisse der bilateralen Projektarbeit werden in den Jahren 2006 und 2007 sowohl in Deutschland als auch in Ungarn präsentiert. Die Kulturstiftung des Bundes hat für Bipolar deutsch-ungarischen Kulturprojekte insgesamt 3 Mio. Euro über einen Zeitraum von drei Jahren (2005-2007) zur Verfügung gestellt.

Unter großer Beteiligung von jungen und sehr jungen Kulturschaffenden aus beiden Ländern wurden Initiativen in allen Bereichen des künstlerischen Schaffens entwickelt: Bildende Kunst, Musik und Medienkunst, Literatur, Theater, Performance, Tanz und Kulturgeschichte. Die meisten Projekte beziehen sich auf die von Bipolar bei der Ausschreibung vorgeschlagenen drei Themengebiete: „Zukunft der Utopie“, „Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskultur“ sowie „Sehnsucht nach Normalität“.

Alle Bipolar-Projekte zeichnen sich dadurch aus, dass sie von Partnern aus beiden Ländern gemeinsam entwickelt und umgesetzt werden. Mit Utopien beschäftigen sich 10 Kunst- und Kultur­projekte, historischen Fragestellungen sind 5 Produktionen gewidmet und den Themenkomplex „Normalität“ behandeln 8 Teams. Die folgenden Beispiele mögen das breite Spektrum an Projekten illustrieren:

„Hamlet in Budapest“, Skizzen für ein Theaterstück, das Heiner Müller unter dem Eindruck des Ungarn-Aufstands 1956 niederschrieb, sind Gegenstand eines multimedialen Projekts in Budapest und Berlin, das sich mit dem in Ungarn wenig bekannten deutschen Dramatiker auseinandersetzt. In Deutschland ist dagegen der ungarische Autor Béla Hamvas und sein epochaler Roman „Karneval“ (1953) kaum jemandem ein Begriff. Die Hamburger Künstlergruppe Fleetstreet und die Stiftung Ars et Vita in Budapest entwickeln dazu einen multimedial aufbereiteten, „optoakustischen“ Literaturtransfer.

Mit dem deutschen Komponisten Helmuth Oehring und dem ungarischen Tänzer und Choreographen Pál Frenák finden zwei Künstler zueinander, die beide das Schicksal teilen, hörende Kinder gehörloser Eltern zu sein. Sie arbeiten gemeinsam an einem Tanztheaterstück, das auf dem renommierten „Sziget Festival“ in Budapest im August 2007 uraufgeführt wird. 

Im Bereich Musik werden unter anderem neue Kompositionen für den Klangdom des Zentrums für Kunst und Medien Karlsruhe gefördert, die in Budapest zur Eröffnung des Budapest Music Forums 2007 vorgestellt werden.

Zu den geförderten Kunstaktionen im Bereich Erinnerungskultur gehören die „Stolpersteine in Ungarn“, eine Spurensuche nach ungarischen NS-Opfern von ungarischen Schülern in Zusammenarbeit mit dem Holocaust Dokumentationszentrum Budapest und dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln.

Weitere historisch ausgerichtete Projekte sind eine Ausstellung zur Geschichte der Zensur im Ost-Pop sowie eine Zusammenarbeit des Literarischen Colloquiums Berlin mit dem ungarischen Schriftstellerverband Szépírók Tásasága zum Thema „Kreatives Vergessen“.

In der Sparte Bildende Kunst wird das Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe zusammen mit dem ungarischen Netzwerk für Medienkunst C3 dem Konstrukteur von spielerischen Maschinen aus dem 18. Jahrhundert, Wolfgang von Kempelen, eine Ausstellung widmen. Außerdem wird der Stuttgarter Kunstverein zusammen mit mehreren ungarischen Einrichtungen zur Förderung junger bildender Künstler wie z.B. dem Kultur-Frachtschiff A 38 interdisziplinäre Projekte erarbeiten. 20 deutsche und 20 ungarische Nachwuchskünstler widmen sich aktuellen Entwicklungen im Bereich Urbanismus und Medienkunst.

Bipolar fördert außerdem Projekte, in denen Jugendliche künstlerisch arbeiten. So sollen junge Kreative aus Berlin und dem ungarischen Kecsekemét Animationsfilme über ihre Visionen vom Leben „20 Jahre später“ erstellen. Das Erfurter Heinrich-Mann-Gymnasium kooperiert mit einer ungarischen Schule, der Életmód 2000 Alapítvany Budapest, um das stadtarchitektonische Erbe aus realsozialistischer Zeit in der Umgebung der Schulen zu erkunden.

Projektgenese

Bipolar deutsch-ungarische Kulturprojekte ist nach den deutsch-polnischen Kulturprojekten des „Büro Kopernikus“ das zweite bilaterale Initiativprojekt, das von der Kulturstiftung des Bundes ins Leben gerufen wurde. Zwischen Akteuren der zeitgenössischen Kunst- und Kulturszene in Deutschland und den neuen Mitgliedstaaten der EU sollen auf dem Wege der gemeinsamen Erarbeitung und Durchführung von Projekten die kulturellen Beziehungen intensiviert werden. Unter der Leitung von Flóra Tálasi fördert und begleitet Bipolar die Zusammenarbeit von Kulturschaffenden aus Deutschland und Ungarn. Seit Veröffentlichung der Projektausschreibung im September 2005 gewährte die Jury in einer ersten Projekt-Phase eine Reihe von Reisestipendien, die die Suche nach geeigneten Kooperations­partnern erleichtern sollte.

Jurymitglieder

In der achtköpfigen Jury wirkten von ungarischer Seite die Kunstsoziologin Dr. Anna Wessely, die Kuratorin Dóra Hegyi, der Komponist und Dirigent Péter Eötvös und der Historiker Prof. László Karsai mit. Aus Deutschland kamen die Intendantin des Forum Freies Theater Düsseldorf, Kathrin Tiedemann, der Direktor der Akademie Schloss Solitude Stuttgart, Prof. Jean-Baptiste Joly, der Leiter des Festivals transmediale, Dr. Andreas Broeckmann, und die Leiterin der Kulturstiftung des Bundes, Hortensia Völckers. 

Internetplattform

Die Liste aller durch Bipolar geförderten Projekte sowie weitere Hintergrundinformationen erhalten Sie unter:www.projekt-bipolar.net

oder unter

www.kulturstiftung-bund.de/bipolar

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